Mit dem Produktionsbeginn der erfolgreichen /8-Modellreihe (sprich »Strich-Acht«) im Jahre 1968 setzte unverzüglich die Entwicklung der Nachfolger-Baureihe ein. Das Lastenheft war in drei Hauptgruppen gegliedert:
·
Verbesserte Sicherheit in
allen Bereichen,
·
erhöhter Komfort und
· erweiterte Servicefreundlichkeit.
Die Außenabmessungen und Innenraummaße sollten in etwa denen der Baumusterfamilie W114/115 entsprechen, wobei allerdings eine Vergrößerung der Kopffreiheit im gesamten Interieur Bedingung war. Stilistisch wurde eine gemäßigte Aktualisierung angestrebt. Triebwerkstechnisch waren nur Überarbeitungen vorgegeben. Dagegen sollte der Führung der Vorderräder erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Mochten diese Zielvorstellungen bescheiden erscheinen – mit der »Neuen Generation« war eine Modellreihe auf dem Markt, die in jeglicher Hinsicht auf längere Zeit keiner tiefgreifenden Verbesserung bedurfte: Ein rundum geglücktes, klares Styling, eine Schräglenker-Hinterachse auf der Höhe ihrer Zeit und eine bewährte Triebwerkspalette, deren Abrundung sich bei den Sechszylindern und den Dieseln bald abzeichnete, waren Meilensteine für die siebziger Jahre, die für den W123 bereits auf der Aktivaseite standen.
Im Herbst 1973 befanden sich die ersten Erlkönige der /8-Folgegeneration im
Straßenversuch. Abgesehen von langwierigen, aber letztlich routinemäßigen
Abstimmungsarbeiten am Fahrwerk – besonders an der neuen Vorderradaufhängung –
war das Auto im Frühjahr 1974 so gut wie serienreif. Der Produktionsanlauf
drängte aber in keiner Weise und hätte auch den bei Daimler-Benz üblichen
Modellwechsel-Rhythmus von sieben bis acht Jahren gestört. Für eine Ablösung der
Mittelklassewagen bestand auch keinerlei Notwendigkeit: Die /8-Modelle
verkauften sich trotz Energiekrise nach wie vor bestens, bei den Dieseln der
Reihe W115 war gar eine stetig steigende Nachfrage zu verzeichnen.
Im Juli 1975 wurde eine 60 Einheiten umfassende Vorserie der Baureihe W123
aufgelegt, um die Produktionseinrichtungen vorzubereiten. Am 28. Januar 1976
erfolgte die offizielle Vorstellung vor der Fachpresse – nicht unbedingt die
automobile Sensation des Jahres, aber immerhin die Präsentation einer noch
abgerundeter und harmonischer wirkenden Limousine, die das Zeug zum
Erfolgsmodell hatte und dazu ausersehen war, die Führungsposition von
Daimler-Benz in der gehobenen Mittelklasse weiter auszubauen. Für das Gros der
Modellreihe begann die Serienfertigung im Februar 1976, Ausnahmen bildeten
allein die Sechszylinder: Während sich die beiden 2,8-Liter bereits seit
Dezember 1975 in Produktion befanden, lief der motorisch am weitestgehenden
überarbeitete 250 erst ab April 1976 vom Band. Der Aufbau der Typenfamilie W123
entsprach im wesentlichen dem der alten Generation: Die Vierzylinder-Benziner
200 und 230 waren ebenso im Programm verblieben wie die Diesel 200 D, 220 D, 240
D und schließlich der 300D – der Fünfzylinder hatte nun eine logischere
Typenbezeichnung erhalten (beim /8 noch 240D 3.0). Bei den Sechszylindermotoren hatte man eine Straffung
der Palette vorgenommen: Während die Doppelnockenwellen-280er mit Vergaser und
Einspritzung im wesentlichen unverändert übernommen worden waren, nahm der 250
nun die Stelle des alten 230.6 ein und war in puncto
Image einen Halbtonschritt tiefer angesiedelt als sein Namensvetter der
/8-Reihe. Die W123-Typen erwiesen sich innerhalb kürzester Zeit als Volltreffer.
Sie harmonierten mit dem Publikumsgeschmack derart deckungsgleich, daß zunächst
mehrjährige Lieferfristen unvermeidlich waren und Jahreswagen von
Werksangehörigen sogar über dem jeweiligen Neuwagen-Listenpreis gehandelt
wurden.
In ihren Abmessungen hatten sich die
Neuen nicht allzu weit von den Vorgängern entfernt. Der Radstand hatte um 4 cm,
die Wagenlänge um 4,5 cm zugenommen. Der Zuwachs in der Breite war mit 1,6 cm
unerheblich, und die Wagenhöhe war praktisch gleich geblieben. Dennoch sahen die
neuen Mittelklassewagen weniger kompakt aus als ihre Vorgänger, sie wirkten
wesentlich breiter und länger – eine Folge des geschickten, die Horizontale
wiederum stärker betonenden Styling. Die Formgebung der neuen Limousinen
verkörperte einerseits noch deutliche Reminiszenzen an die W114/115-Typen,
andererseits war eine formale Annäherung an die S-Klasse-Modelle des Baumusters
W116 unverkennbar, wenn auch die Keilform hier nur zart angedeutet in
Erscheinung trat.
Die Frontalansicht der W123-Modelle wirkte durch die waagrecht angeordneten Leuchteinheiten stark horizontal betont. Die Motorhaube konnte dadurch flacher gehalten werden als beim »Strich-Acht«, und die beim Vorgänger – bedingt durch die senkrecht stehenden Scheinwerfer – immerhin noch deutlich konturierten Vorderkotflügel waren flachen, in der Silhouette völlig bündigen Seitenteilen gewichen. Während die Leuchten der Spitzenmodelle 280 und 280 E Halogen-Rechteckscheinwerfer mit integrierten Nebellampen umfaßten und denen der größeren W116-Modelle nachempfunden waren, erhielten die übrigen Typen Rundscheinwerfer (umgangssprachlich »Ochsenaugen« genannt). Zwei ungleich große Haupt- und Nebellampen waren unter einer gemeinsamen Glasverkleidung angebracht, die ein problemloses Sauberhalten durch die wahlweise erhältliche Wisch-Wasch-Anlage ermöglichte. Nachdem ohnehin ein beträchtlicher Anteil der schwächer motorisierten Wagen – sei es aus Prestigegründen, ästhetischem Empfinden oder wegen der besseren Fahrbahnausleuchtung – nachträglich mit den Rechteckscheinwerfern umgerüstet wurden, eliminierte man dieses Unterscheidungsmerkmal Anfang September 1982 und stattete alle Versionen mit den Breitbandleuchten aus. Die Scheinwerfereinstellung war bei allen Modellen zunächst manuell im Motorraum, ab Januar 1979 pneumatisch im Innenraum an die jeweilige Belastung des Fahrzeugs anpaßbar. Bei allen Ausführungen waren große, um die Karosserieecken gezogene Blinker integrative Bestandteile der Scheinwerfer.
Die nach wie vor traditionell geformte Kühlermaske zeigte sich in ihren Konturen
gegenüber der zweiten Auflage der »Strich-Acht« -Modelle unverändert, wies aber
einen in der Tiefe zierlicheren Edelstahlrahmen auf. Der kippbare Stern saß nun
nicht mehr auf einer Kühlerverschluß-Imitation, sondern – analog zur Baureihe
W116 – mit seinem Gelenkfuß direkt in einer Vertiefung der Maske. Das innere
Kunststoffschutzgitter war nicht mehr großkariert, sondern bestand aus
horizontal angeordneten Stäben. Die dreiteiligen Edelstahlstoßstangen besaßen
kräftige Gummieinsätze. Bei der bis zum 250 aufsteigenden Modellinie wiesen sie
an den Ecken schwarze Abdeckungen aus Integralschaum auf, während sie bei den
280ern bis an die vorderen Radausschnitte herangeführt waren.
Die Motorhaube konnte beim W123 zusätzlich zur üblichen Schrägstellung auch
senkrecht arretiert werden. Damit wurde nicht nur die Kollision von Mechaniker-
und Heimwerkerköpfen mit der Kühlermaske vermeidbar – auch die zeitraubende
Demontage beim Aus- und Einbau des Motors entfiel, denn durch den Wegfall des
Fahrschemels verließen Mercedes-Triebwerke nun auf herkömmliche Weise ihren
Platz nach oben. Auch die Entriegelung der Motorhaube war vereinfacht worden:
Nach Betätigen des Haubenzuges unter der Instrumententafel schob sich ein
elastischer Zuggriff aus dem Kühlergrill, mit dem die Sicherungsklinke gelöst
werden konnte. Die Windschutzscheibe war noch um eine Idee stärker geneigt als
beim Vorgänger, besaß aber in etwa die gleiche Fläche. Dagegen war das
Wischerfeld beträchtlich vergrößert worden: Die gleichlaufenden Scheibenwischer,
die die »Schmetterlings-Anordnung« beim W114/115 ablösten, bestrichen ein
Scheibensegment von 78 Prozent.
In der seitlichen Perspektive war eine stilistische Verwandtschaft zum
»Strich-Acht« unverkennbar – in der Presse wurde gar die formale Ähnlichkeit mit
dem Vorgängermodell kritisiert. In der Tat hatte noch keine
Mercedes-Benz-Neuentwicklung nach dem Kriege bezüglich des Designs so viel
Familienähnlichkeit bewahrt wie der W123: Besonders die Dachpartie, aber auch
die Proportionen der Fahrgastzelle ließen auf den ersten Blick eine
Weiterverwendung der Preßformen des Vorgängermodells vermuten. Dennoch war kein
einziges Blechteil vom 114/115 übernommen worden. Ein unmerkliches Ansteigen der
Gürtellinie zur C-Säule hin war neben der konvex verlaufenden Seitenzierleiste
die einzige Konzession an die Keilform, die längst en vogue war. Der als
Sicherheitszelle ausgebildete Aufbau war in seiner Belastungsstatik dem bereits
als überdurchschnittlich formstabil geltenden Fahrgastraum des Vorgängers
überlegen: Eine erhöhte Seitensteifigkeit und eine Verstärkung der Dachstruktur
durch Querschnittsvergrößerung der tragenden Profile boten eine vorbildliche
Überrollfestigkeit. Trotz zierlicherer Ausbildung waren die A-, B- und C-Säulen
belastbarer konzipiert. Die verbesserte Seitendruckfestigkeit der Türen und ein
zusätzlicher Querträger unterhalb der Vordersitze boten wirksamen Schutz bei
Seitenaufprall. Bei den Türgriffen entfiel der Druckknopf – zum Öffnen war nun
keine gegenläufige Handbewegung mehr nötig, sondern lediglich das Ziehen eines
ergonomisch griffgerecht gestalteten Bügels analog zur S-Klasse W116. Die
seitlichen Einstiegsleisten wiesen nun ein schmutzabweisendes Profil auf, bei
dem die Türen die Schweller überlappten und so verhinderten, daß die Beine der
Insassen beim Ein- oder Aussteigen mit angespritztem Straßendreck in Berührung
kamen.
Die Heckgestaltung wurde von den deutlich verbreiterten Rückleuchten beherrscht,
die schmutzunempfindliche, stark profilierte Deckgläser trugen. Die linke
Leuchteinheit besaß serienmäßig ein Nebelschlußlicht. Über der ab Herbst 1976
endlich in Serie heizbar ausgeführten Heckscheibe leitete nun eine Regenrinne
das Schmutzwasser ab. Die hinteren Stoßstangen waren bei allen Ausführungen
weiter zu den Radausschnitten hingezogen als bei den Hauptmodellen der
»Strich-Acht« -Reihe. Der gewiß nicht kleine Kofferraum jener Modellfamilie
konnte beim W123 großflächiger gestaltet werden und erhielt so nach der Anzahl
der Gepäckstücke eine effektivere Ladekapazität, wenn auch das Gesamtvolumen
(knapp 500 Liter) nur wenig zugenommen hatte. Grund für die verbesserte
Raumeinteilung war das von der rechten Mulde nun waagrecht unter den
Kofferraumboden versetzte Reserverad, dessen verschlechterte Zugänglichkeit man
ohne weiteres mit der statistisch unerheblichen Wahrscheinlichkeit einer
Reifenpanne entschuldigen konnte. Auch die Verlegung des Kraftstofftanks
außerhalb des Heckaufprallbereichs über die Hinterachse trug dazu bei.
Erfreulich – vor allem für einkaufende Hausfrauen – war die angenehm niedrige
Ladekante.
Das äußere Erscheinungsbild der Hundertdreiundzwanziger wandelte sich im Laufe
der Produktionszeit nur unwesentlich. Erst im September 1982 wurden einige von
außen erkennbare Verbesserungen eingeführt: Das Profil der Schmutzabweisblenden
an den A-Säulen wurde geändert, die Hecksäulenblenden wurden ebenfalls
modifiziert, um die Windgeräusche zu vermindern. Weniger augenfällig, dafür um
so wirksamer waren die mehrfach verbesserten Korrosionsschutzmaßnahmen. Bereits
ab Spätherbst 1976 wurden alle Schweißnähte am Wagenkörper PVC-beschichtet. Ab
Herbst 1978 wurden die Unterseiten der vorderen Radkästen durch verschraubte
Plastikschalen gegen Steinschlag und Schmutzansammlungen geschützt. Im Zuge der
Modellpflege unterzog man die teilweise verzinkten Karosseriebleche stetig
erweiterten Rostschutzmaßnahmen. An der Bodengruppe kamen zuletzt acht
verschiedene Vorsorgebehandlungen zum Einsatz, von der Tauchgrundierung bis zur
Wachsbeschichtung. Die nachträgliche Hohlraumkonservierung oder saisonale
Versiegelung des Unterbodens erübrigte sich für den W123-Besitzer.
Die Änderungen, die den Innenraum der Hundertdreiundzwanziger im Vergleich zu
ihren Vorgängern betrafen, waren markanter als das Re-Styling der Karosserie.
Die Abmessungen der Sitze waren zwar im wesentlichen beibehalten worden,
stärkere Wölbungen der Rückenlehnen verbesserten jedoch die Seitenführung. Ab
September 1982 wurde durch entsprechende Kehlungen der Vordersitzlehnen die
Beinfreiheit der Fondpassagiere vergrößert. Gleichzeitig erhielt die
Rücksitzbank zwei ausgeprägte Sitzmulden, die für erhöhten Seitenhalt sorgten,
ohne den fünften Fahrgast eine zu unkomfortable Sitzposition erleiden zu lassen.
Bei den beiden Spitzenmodellen war der Fahrersitz mit einer Höhenverstellung
ausgerüstet, die auch für die übrigen Typen zunächst wahlweise erhältlich war,
ab 1977 aber zur Serienausstattung zählte. Nach wie vor wurde die Neigung der
Rückenlehnen mit Handrädern an den Ruhesitzbeschlägen eingestellt –nicht
unbedingt die bequemste und praktischste Lösung, wenn man sie beispielsweise mit
dem Schnellarretierhebel beim Volvo vergleicht. An den Vordersitzen waren
serienmäßig Kopfstützen montiert, deren Konturen ab Herbst 1982 schlanker
wurden, um den Sichtwinkel zur Heckscheibe zu vergrößern. Ab jenem Zeitpunkt
wurden sie außerdem durch einen Aluminiumrahmen versteift. Für die Hinterbänkler
waren Kopfstützen gegen Aufpreis lieferbar. Die in Grundausstattung in Stoff mit
Kunstledereinfassung gelieferten Polster konnten gegen Mehrpreis in den üblichen
gehobenen Abstufungen Vollkunstleder (MB-Tex), Leder
und Velours bezogen werden. Im Herbst 1982 wurde ebenfalls ein Teil der sechs
Ausstattungsfarben geändert. Bei Grundausführung waren nun auch die Seitenbacken
der Sitze mit Stoff bezogen. Gleichzeitig wurden die Geflechtimitation und das
bei 280 und 280 E verwendete Rhombenmuster von einem einheitlichen
Streifendessin abgelöst.
Das Armaturenbrett der neuen Modellreihe war stark überarbeitet worden und
entsprach in der räumlichen Aufteilung dem der S-Klasse W116. Die
Instrumentenkonsole im Blickfeld des Fahrers umfaßte ein Kombiinstrument mit
Tankinhaltsanzeige, Kühlmittelthermometer und Öldruckmesser. Im September 1982
kam bei den Modellen mit Ottomotor als vierte Skala eine mehr dem Zeitgeist
entsprechende als wirklich sinnvolle Wirtschaftlichkeitsanzeige hinzu, deren
Zeiger sich in einem ungegliederten Feld bewegte. Der in der Mitte liegende
große Tacho war bei den Vierzylinder-Dieseln bis 160 km/h, beim 300 D bis 180
km/h, bei den normalen Benzinern bis 200 km/h und bei den
beiden 2,8-Liter-dohc-Benzinern (double overhead
camshaft = doppelte obenliegende Nockenwelle) bis 220 km/h kalibriert. Die rechts vom Tacho plazierte elektrische Zeituhr konnte vorerst nicht mehr
durch einen Drehzahlmesser ersetzt werden – ein Tourenzähler war erst später als Sonderausrüstung lieferbar. Die
Ablesbarkeit der Instrumente war wiederum verbessert worden: Die konkaven
Deckgläser der mattschwarzen Skalen waren so geneigt, daß
selbst unter ungünstigen Lichtverhältnissen keine irritierenden Spiegelungen
auftraten. Unterhalb der Instrumentenkonsole waren sämtliche durch beleuchtete
Symbole markierte Kontrolleuchten angeordnet:
Fernlicht, Ladekontrolleuchte, Bremsbelag-Verschleißanzeige für die vorderen
Bremsbeläge, Warnlicht für
Feststellbremse und Bremsflüssigkeitsvorrat, bei den Dieseln der Glühüberwacher
sowie die Fahrstufenanzeige bei Plazierung des
Automatik-Wählhebels am Lenkrad.
Der von jeher sinnvoll bestückte und links unter dem Lenkrad griffgerecht
positionierte Kombischalter war in seinen Funktionen verbessert worden.
Blinkleuchten, Umschaltung Abblend-/Fernlicht und Lichthupe wurden wie bisher
ausgelöst, dagegen setzte man die Scheibenwischer nun durch Drehen des
Steuerkopfes in Gang. Diese radiale Regelung umfaßte
drei Betriebsstufen: Intervallwischen, normale und erhöhte
Wischergeschwindigkeit. Dadurch entfiel der zusätzliche kleine Kippschalter des
Vormodells. Das Drücken des Schalterkopfes löste nun den elektrischen Scheibenwascher aus, der die anfällige Fußbetätigung der
Pumpe aus dem Vorgänger ablöste. Nach dem Sprühvorgang wurden – vom Intervallrelais gesteuert –
automatisch die Wischer in Bewegung gesetzt. Eine wesentliche Verbesserung
verkörperte der neukonzipierte große Lichtschalter links an der Unterkante der
Armaturentafel, der nun – im Gegensatz zur bisherigen, einige Fingergymnastik
erfordernden Praxis – mühelos zu bedienen war und dem bei der S-Klasse seit 1972
verwendeten Bauteil entsprach. Mit der ersten Zugstufe wurden die
Nebelscheinwerfer zugeschaltet, die zweite Zugraste betätigte die
Nebelrückleuchte, deren Funktion durch die im Knebelgriff integrierte Kontrolleuchte überwacht werden konnte. Ab Herbst 1976
erinnerte ein Warnsummer an das Ausschalten der Scheinwerfer beim Abziehen des
Zündschlüssels.
Im Grunde unverändert blieb vorerst das Vierspeichen-Sicherheitslenkrad mit der
breiten Polsterplatte, die an den Seiten Hupkontakte aufwies. Im Herbst 1979
wurde der Lenkraddurchmesser um einen Zentimeter reduziert. Die gesamte
Armaturenanlage war in ihrer statischen Berechnung energieabsorbierend
ausgeführt, PVC-beschichtet und im ganzen glattflächiger gestaltet als bei den
Vorgängern. Das Handschuhfach war voluminöser geworden, zusätzlich standen nach
wie vor – allerdings wesentlich stabiler konstituierte – Ablagetaschen in den
Vordertüren zur Verfügung. Über die Breite der Armaturentafel lief ein
Zierstreifen, der beim Gros der Typen aus Kunstleder in der Ausstattungsfarbe,
bei den 2,8-Liter-Spitzenmodellen aus Zebrano-Furnier
bestand. Ein bis zum Wagenboden reichender Knieschutz bewahrte an der
Armaturenbrett-Unterkante vor Knieverletzungen im Kollisionsfall. Vor der
Windschutzscheibe waren an den A-Säulen zwei 10 cm- Lautsprecheröffnungen vorgesehen,
deren Abstrahlrichtung nach oben wies. Die beiden Sonnenblenden waren organisch
in die geschäumte Verkleidung der Windschutzscheibenoberkante versenkt. Eine
ebenso gelungene Lösung stellte der in einer Aussparung der Hutablage
untergebrachte Verbandkasten dar. Die vorderen
Dreipunkt-Automatik-Sicherheitsgurte waren in die Mittelsäulen integriert. Zum
Modelljahr 1980 wurde auch die Rücksitzbank serienmäßig mit Gurten ausgerüstet.
Drei Jahre später gab es auch für die Mittelklasse für knapp 1800 Mark Aufpreis
den im Lenkrad integrierten Airbag mit beifahrerseitigem Gurtstrammer.
Die Mittelkonsole bot Raum zum Einbau eines Radiogeräts und Montagemöglichkeit
für diverse Kippschalter. Ein voluminöser Kipp-Ascher fand dort ebenso seinen
Platz wie die Regelelemente des Heizungs- und Belüftungssystems. Ab September
1982 war die Konsole beim Topmodell 280 E mit Zebranoholz
furniert, bei den Coupés allerdings schon von Anfang an. Zu diesem Zeitpunkt gab es für alle Ausführungen neugestaltete,
griffgünstigere Fensterkurbeln und ein Verzögerungsrelais für die
Innenbeleuchtung, das dem Fahrer nachts die Suche des Zündschlosses
erleichterte. Auf Wunsch war ein Stahlschiebedach mit mechanischer oder
elektrischer Betätigung lieferbar. Ebenfalls gegen Aufpreis konnten die
W123-Typen mit einer Unterdruck-Zentralverriegelung ausgerüstet werden, die vom
Fahrertürschloß gesteuert wurde und Türen, Tankdeckel
und Kofferraum auf- bzw. abschloß. Die
hubraumstärkeren Diesel und Benziner mit Fünf- bzw. Sechszylindermotor konnten
mit dem Tempomat geordert werden. Die Regelelektronik
dieses Systems gewährleistete ein Konstanthalten jeder Geschwindigkeit über 40
km/h, die über den Vierweg-Stellhebel am Lenkrad fixiert worden war, ungeachtet
der Fahrbahnbeschaffenheit und ohne Betätigen des Fahrpedals.
Der Wirkung von Heizung und Belüftung war wiederum ein hoher Grad an
Aufmerksamkeit geschenkt worden. Wie bei Daimler-Benz üblich, waren Warm- und
Frischluftzufuhr für Fahrer- und Beifahrerseite getrennt regulierbar. Die
neuentwickelten Bedienungselemente umfaßten je einen
Heizungsdrehschalter pro Wagenseite, den Luftmengenregler, der die
Hauptluftklappe und das dreistufige, nunmehr wesentlich geräuschärmere
Radialgebläse steuerte, und den Luftverteilungshebel. In der Mitte und an den
Seiten der Armaturenanlage waren insgesamt vier Frischluftdüsen eingelassen, die
jeweils getrennt geöffnet und geschlossen werden konnten. Die Dauerentlüftung
des Innenraums erfolgte über einen Schlitz unter der Heckscheibe und
Känale zu den verblendeten Austrittsöffnungen in den C-Säulen. Gegen
Aufpreis war eine Klimaanlage kompakter Bauweise – bei der Wärmetauscher und
Verdampfer ein gemeinsames Bauteil bildeten – lieferbar.
Die Fahrwerkskonzeption der Baureihe W123 entsprach dem bewährten
Mercedes-Standard: ringsum Einzelradaufhängung mit Schraubenfedern, sorgfaltig
abgestimmt. Bezüglich der Hinterachse, die erst 1968 bei den /8-Modellen eingeführt worden war, bestand natürlich keinerlei Notwendigkeit einer
Weiterentwicklung. Lediglich geringfügige Formänderungen des bumerangartigen
Achsträgers und des Drehstabstabilisators waren aus Einbaugründen – die
Verlegung des Benzintanks über die Hinterachse spielte dabei eine wesentliche
Rolle – unabdingbar. Wegen der bei hohen Geschwindigkeiten und voller Beladung
nicht immer tadelfreien Richtungsstabilität – beispielsweise zeigten sich die Wagen
unter diesen Umständen erhöht seitenwindempfindlich – wurde die
Hinterachsgeometrie im Juni 1977 neu abgestimmt.
Neues gab es bei der Vorderachse: Seit der Modellreihe W114/115 hatte man zum
zweiten Mal nacheinander eine weitgehende Fortentwicklung vollzogen. In
Anlehnung an die Vorderradaufhängung der S-Klasse W116 war der als »Fahrschemel«
bezeichnete Vorderachsträger aufgegeben worden. Stattdessen waren alle Elemente
mit elastischen Lagern direkt mit Rahmenbodenanlage und Aufbau verbunden.
Dadurch konnte die Radführung präzise gehalten werden. Die geschmiedeten unteren
Querlenker besaßen eine sehr breite Basis, stützten sich aber im Gegensatz zur
S-Klasse ohne Querjoch direkt am Karosserievorbau ab. Die oberen Querlenker
waren wie beim W116 am Drehstabilisator, der wiederum an der Karosserie gelagert
war, angelenkt. Neu für die Mercedes-Mittelklasse waren der progressive
Bremsnickausgleich und der Lenkrollradius Null, bei dem sich die Radmittelachse
und die gedachte Verbindungslinie der oberen und unteren Trag- und
Führungsgelenke im Reifenaufstandspunkt schnitten. Geradeauslauf und Richtungsstabilität auch bei scharfem Bremsen konnten damit
spürbar verbessert werden. Die Achsschenkel waren keinerlei Drehmomenten
unterworfen, ein Korrigieren der Lenkung – etwa bei schlechter
Fahrbahnbeschaffenheit – beschränkte sich auf einsame Extremfälle.
Die Kugelumlauflenkung des Typs L1 Z, die mit drei Lenkradumdrehungen von
Anschlag zu Anschlag ausreichend direkt übersetzt war, wurde beibehalten. Die
Modelle 280, 280 E und 300 D erhielten serienmäßig die bewährte Servolenkung
LSE090, die unbestritten zu den besten auf dem internationalen Automarkt gehörte,
und durch ihre progressive Wirkungsweise stets den nötigen Fahrbahnkontakt
vermittelte. Ab September 1978 zählte die Servolenkung auch beim 250 zur
Grundausstattung. Erst ab September 1982 wurde die gesamte Modellreihe
grundsätzlich damit ausgeliefert.
Die Baureihe W123 erhielt eine neukonzipierte
Sicherheitslenksäule: Das Mantelrohr war kürzer geworden, ein Wellrohr ersetzte
die Teleskopanordnung. Dadurch war im Falle eines Frontalaufpralls nicht nur ein
Zusammenschieben, sondern auch ein seitliches Ausknicken dieses
Übertragungsteils möglich. Diese axiale und radiale Verschiebbarkeit eliminierte
auch bei Schrägkollisionen ein Eindringen der Lenksäule in den Fahrgastraum.
Dazu trug auch die Anordnung des Lenkgetriebes hinter der Vorderachse bei.
Erstmals wurde eine Mercedes-Mittelklassereihe von vorneherein serienmäßig mit
Gürtelreifen bestückt, wobei allerdings nicht übersehen werden soll, daß sich die Fahrwerke in alter Tradition des Hauses als
fabrikatempfindlich erwiesen. Bei Nachrüstung empfiehlt sich ein Studium der
Freigabeliste des Werks und entsprechender Testveröffentlichungen in
Fachzeitschriften. Wie schon bei den Vorgängermodellen bewährten sich die
Michelin-Reifen der Typen zX bzw. XZX und XVS beim
W123 hervorragend – sowohl hinsichtlich Fahrkomfort und Schräglaufwinkel als
auch bezüglich der Lebensdauer der Pneus. Einer alten Mercedes-Sitte folgend,
waren auch die Hundertdreiundzwanziger so knapp wie nur möglich bereift: 175R14
für die aufsteigende Linie bis zum 250 und 195/70HR14 für die beiden 2,8-Liter-Limousinen,
alle T-Modelle und Coupés
stellten wenig großzügig bemessene Dimensionen dar. Als paradox
mußte erscheinen, daß der 250 bis
einschließlich Baujahr 1979 mit bis 180 km/h zugelassenen SR-Reifen bestückt
wurde, die zwar gemäß Höchstgeschwindigkeitsangabe des Fahrzeugherstellers
gesetzlich gerade noch vertretbar, de facto aber den erfahrungsgemäß bis über
185 km/h streuenden Spitzen nicht mehr ganz angemessen waren. Mit Erscheinen des
annähernd gleichschnellen 230 E wurde auch der 250 mit höherklassigen HR-Reifen
ausgerüstet, bis er ab Modelljahr 1982 dann schließlich die Serie-70-Pneus der
Spitzenmodelle erhielt und damit endlich auf staturgerechten Sohlen stand. Gegen
beträchtlichen Aufpreis gab es auch beim W123 die formvollendeten, geschmiedeten
Fuchs-Leichtmetallräder, die auch unter dem Namen Barockfelgen bekannt wurden.
Die Bremsen entsprachen im Prinzip der seit einem Jahrzehnt üblichen Bauart:
Scheibenbremsen an allen vier Rädern, betätigt durch ein Zweikreissystem mit
getrennten Druckölkreisen für Vorder- und Hinterachse. Aber auch hier waren
Verbesserungen zu verzeichnen: Ein Stufen-Hauptbremszylinder verstärkte beim
Ausfall eines Bremskreises die Bremswirkung des anderen. Die Bremsleitungen
waren nun kunststoffbeschichtet, um die Außenkorrosion zu vermindern. Die
Bremsbelag-Verschleißkontrolle machte eine regelmäßige Sichtprüfung der
Bremsklötze überflüssig: Ein im Bremsbelag eingelassener elektrischer Kontakt schloß bei Erreichen der zulässigen Abnutzungsgrenze den
Stromkreis zur entsprechenden Kontrolleuchte. Die
vorderen Bremszangen der Vierzylindermodelle waren nun an die der Sechszylinder
angeglichen und verfügten über einen Kolbendurchmesser von 60 Millimeter.
Dadurch konnten auch die vorderen Klötze vergrößert und im Verschleißvolumen um
35 Prozent erweitert werden. Die Feststellbremse wurde – wie bereits bei der
»Strich-Acht« -Reihe – auf nicht unumstrittene Weise mit dem Fuß betätigt und
per Hand gelöst. Allerdings hatte das Übersetzungsverhältnis des Feststellpedals
eine Erweiterung zugunsten einer um 30 Prozent größeren Bremswirkung bei
gleicher Pedalkraft erfahren. Der Entriegelungsknopf am Armaturenbrett löste die
Arretierung aus Gründen der Aufprallsicherheit nicht mehr über eine starre
Zugstange, sondern mit einer Kette.
Zum Modelljahr 1981 konnten auch die Modelle der Mittelklassereihe gegen den
stolzen Mehrpreis von DM 2712 mit dem Antiblockiersystem ausgerüstet werden, das
in Zusammenarbeit mit Bosch entwickelt worden war und 1978 in der S-Klasse W116
zum ersten Mal zum Einsatz kam. Aufgabe des ABS ist, den Stillstand der Räder
während des Bremsvorganges zu verhindern, um das Fahrzeug kontrollierbar zu
halten – rutschende Autos sind nicht lenkbar. Das ABS entstand aus dem
Gedankengut des »Stotterbremsens« . An jedem Rad wird dabei durch einen Sensor
die Drehzahl überwacht – sobald ein Blockieren einsetzt, wird die Bremse für
Sekundenbruchteile gelöst, indem ein Computer den Druck im Bremssystem
vermindert. Dieser Vorgang kann sich bis zu zehnmal pro Sekunde abspielen – das
Fahrzeug bleibt beim Bremsen auch auf glattem Untergrund voll lenkbar, der
Bremsweg wird beträchtlich verkürzt. Gewiß ist das ABS
ein Beitrag zur Sicherheit im zunehmend verdichteten Straßenverkehr – kein
Wunder, daß die Realisierung dieser komplexen
Einrichtung fast zwanzig Jahre in Anspruch nahm und ihre Vollendung erst finden
konnte, als das Elektronik-Zeitalter seinem Höhepunkt zustrebte.
Bezüglich der Kraftübertragung unterschieden sich die Familienangehörigen der
Reihe W123 nur unwesentlich voneinander. Basisausstattung war bei allen Modellen
ein Viergang-Synchrongetriebe mit Mittelschaltung. Bei den beiden dohc-Spitzenmodellen war auch der Rückwärtsgang
synchronisiert – die Zwangspause zwischen dem Auskuppeln und dem Einlegen des
Reversiergangs konnte bei normaler Leerlaufdrehzahl entfallen. Bei diesen Typen
waren auch die Zahnräder des zweiten bis vierten Gangs durch Präzisionsschleifen
aufwendiger bearbeitet worden, um auch bei hohen Geschwindigkeiten noch mehr
Laufruhe zu gewährleisten. Weiterhin legte man beim 280 und 280 E die
Antriebsübersetzung länger aus als beim Rest der Baureihe, was ebenfalls der
Senkung des Geräuschpegels diente. Auf Wunsch war natürlich für alle
Hundertdreiundzwanziger die Viergangautomatik der Ausführung W48025 mit
Drehmomentwandler lieferbar – Aufpreis zunächst rund 1600 Mark. Der Wählhebel
befand sich dabei in der Regel auf der Mittelkonsole und war aus
Sicherheitsgründen teleskopartig zusammenschiebbar konzipiert. Wahlweise war
auch ohne Mehrkosten die Anordnung des Wählhebels an der Lenksäule möglich
(Lenkradautomatik). Obwohl bei den »Strich-Acht« -Sechszylindern W114 fast über
die gesamte Bauzeit hinweg ein Fünfganggetriebe erhältlich war, wurde dieses
Extra für den W123 zunächst nicht vorgesehen. Erst zum Modelljahr 1981 bot man
für alle Modelle ein von Getrag in Ludwigsburg
gefertigtes Fünfganggetriebe mit Overdrive-Charakteristik zum Mehrpreis von rund
1000 Mark an, das weniger auf den sportlichen als auf den energiebewußten Fahrer zielte – Bestandteil des
Mercedes-Benz-Energiekonzepts.
Eine deutlich verbesserte Servicefreundlichkeit war der Baureihe W123 ins
Lastenheft geschrieben worden: Bei allen Motortypen wurde nun der Ölwechsel von
oben möglich. Zum Absaugen dient dabei das modifizierte Führungsrohr des
Peilstabs. Nach positiven Erfahrungen mit der Verschleißresistenz bei allen
Modellen konnten ab 1979 die Wartungsintervalle verlängert werden – bei den
Benzinern auf 20.000 Kilometer, bei den Dieseln auf 15.000 Kilometer. Ein
zentraler Prüfanschluß, den alle Ottomotoren
aufwiesen, erleichterte den Service erheblich. Mit diesem Mehrfachstecker, zwei
Meßwertgebern an der Schwungscheibe (OT-Geber) und an
der Kerze (Trigger-Impulsgeber) sowie einem Digital-Prüfgerät wurde der
Arbeitsaufwand der Drehzahl-Schließwinkel- und Zündzeitpunktkontrolle auf ein
Minimum reduziert und die Meßgenauigkeit deutlich
gesteigert. Die Diesel und der Sechszylinder-Vergasermotor des 250 erhielten
neuentwickelte Ferroplastic-Kopfdichtungen, die ein
Nachziehen der Kopfschrauben beim ersten Wartungsdienst überflüssig machten. Ein
einmaliges Nachjustieren nach dem Motorprobelauf im Werk genügte. Bei den
Dieselmotoren kamen neue Ölfilter zum Einsatz: Während bislang nur das
Nebenstromfilter ausgetauscht und das Hauptstromfilter gereinigt wurde, waren
nunmehr beide Filter in einer gemeinsamen Patrone verbaut, die von oben her zu
wechseln war. Auch der Kraftstoffilter war bei den
Dieseln nun eine Wegwerfpatrone. Der Senkung der Betriebskosten kam ohne Zweifel
auch der für alle Modelle neuentwickelten Auspuffanlage zugute, die im Vergleich
zu den Vorgängertypen für die doppelte Lebensdauer konzipiert war. Die Enden der
Auspuffrohre waren bei allen Modellen in einem Winkel von 30 Grad zur Fahrbahn
geneigt, um die Verschmutzung des Hecks durch Abgasrückstände zu vermeiden.
Wie bei den /8-Modellen konnte die Fahrwerksabstimmung beim W123 mit
dem Attribut »ausgewogen« am besten charakterisiert werden. Das Bewältigen hoher
Kurvengeschwindigkeiten erforderte keinen Künstler am Volant. Beim Erreichen des
Grenzbereichs wurde eine kaum merkliche Neigung zum Untersteuern spürbar. Selbst
in schnell gefahrenen Kurven war das Heck allenfalls bei sehr schlüpfriger
Fahrbahn oder provozierter Lastwechselreaktion zum Ausbrechen zu bewegen. Der
einmal mehr in hohem Maße geglückte Kompromiß zwischen
optimaler Fahrsicherheit und hervorragendem Fahrkomfort – man ist in dieser
Hinsicht von Mercedes-Benz-Produkten ja von jeher verwöhnt – ergab erstklassige
Federungseigenschaften. Straßenunebenheiten jeglicher
in der Alltagspraxis erscheinenden Form und Größe wurden erstaunlich gut
weggesteckt – dabei erwies sich aber die Dämpfung als straff genug, um einem
Nachschwingen des Aufbaus entgegenzuwirken. Dröhngeräusche waren ohnehin schon
längst eliminiert, seit man die Fahrwerke gürtelreifengerecht konzipierte, und
gegen Windgeräusche ging man im Windkanal vehement vor – im Laufe der
Produktionsdauer waren hier Erfolge durch kleine aerodynamische Kniffe
festzustellen.
Noch ein Wort zu den vieldiskutierten Mercedes-Wintereigenschaften: Wie die
meisten seiner Kollegen mit Standardantrieb bot auch der W123 von Haus aus nicht
die besten Voraussetzungen für gute Traktion auf winterlicher Fahrbahn –
besonders galt dies für die kopflastigeren Fünf- und Sechszylinder. Die relativ
geringe Belastung der Antriebsräder bedingte eben die Montage von M&S-Reifen und Ballastzuladung im Kofferraum. Mit diesen
Hilfsmitteln können auch die heckgetriebenen Untertürkheimer selbst bei glattem
Untergrund ihr Potential an Fahrsicherheit ausspielen und zeigen sich dann auch
mit Durchschnittsfahrern hinter dem Lenkrad traditionell gut wintertauglichen
Fronttrieblern als quasi ebenbürtig.
Der problemlose Betrieb, die ausgereifte, für hohe Zuverlässigkeit bürgende
Konstruktion und die – im Vergleich zu den Vorgängern – vorbildhafte
Rostimmunität ließen die Baureihe W123 zum Mercedes-Erfolgsmodell Nummer Eins
werden. Von sämtlichen Limousinen-Varianten wurden 2,4 Millionen Einheiten
abgesetzt – ein neuer Produktionsrekord. Im Jahre 1982 konnte sich diese
Typenfamilie in der bundesdeutschen Zulassungsstatistik den zweiten Platz hinter
dem Volkswagen Golf erobern. Auch im folgenden Jahr waren die Mittelklasse-Mercedes immerhin noch auf Rang drei plaziert.
Die von der /8-Reihe her bekannte Diesel-Palette war, zumal sie stetig steigende Verkaufszahlen aufwies, in ihrer vollen Breite auch in der Baureihe W123 zu finden, wobei sich technische Änderungen in Grenzen hielten. Da die Dieselmotoren im Laufe der Jahre leistungsmäßig arg ins Hintertreffen geraten waren, taten PS-Spritzen not. Im Februar 1979 erfuhren 200 D und 240 D Leistungssteigerungen – der Zweiliter von 55 PS (40 kW) auf 60 PS (44 kW), der 240 D von 65 PS (48 kW) auf 72 PS (53 kW). Durch diese Maßnahme wurde der bis dato erhältliche 60 PS starke 220 D überflüssig und im März 1979 aus dem Programm genommen. Im September 1979 erhielt auch der 300 D acht PS mehr, die durch einige Modifikationen an der Einspritzpumpe erreicht wurden.
Neben den Wartungsvereinfachungen durch geänderte Filter nahmen die Diesel auch
an den technischen Verbesserungen der gesamten Modellreihe teil. So erhielten
sie geräuschärmere und wirkungsvollere fünfflügelige Lüfter. 240D und 300D
wurden mit gewichtssparenden Leichtmetall-Ölkühlern ausgerüstet. Beide Typen
bekamen ein in den Ölfilter integriertes, thermostatisch gesteuertes Ventil, das
den Fluß zum Ölkühler temperatur- statt druckabhängig
regelte und zu kürzeren Anwärmzeiten beitrug. Als Fortschritt wurde die im
September 1977 vollzogene Zündschlüsselanlassung des 240D gewertet: Der
Anlaßvorgang einschließlich des Vorglühens wurde – wie bereits beim
Dreiliter-Diesel – jetzt mit einer Hand mit dem Zündschlüssel vorgenommen. Der
200D zog im Februar 1979 nach.
Ab August 1977 gab es auch vom 240 D und vom 300 D – parallel zum 250 –
Limousinen und teilkarossierte Fahrgestelle für
Sonderaufbauten, jeweils mit verlängertem Radstand. Der 240 D wurde auch als
Normalchassis – vorzugsweise für Krankenwagenkarosserien – geliefert. Der Ambulanzenmarkt in Mitteleuropa wurde von Fahrzeugen auf
Mercedes-Benz-Basis ebenso beherrscht wie bislang die Taxi‑Szene. Führende
Hersteller für derartige Aufbauten sind Miesen und Binz
in Deutschland und Visser in den Niederlanden.
Die Mercedes-Diesel hatten kaum mit Flauten zu kämpfen und stellten knapp die
Hälfte aller produzierten Wagen der Baureihe W123. Mit Abstand erfolgreichstes
Modell war der 240 D, der eine durchschnittliche Jahresfertigung von 70.000
Wagen aufwies. Ein 240 D war es auch, der im April 1982 als
einmillionster W123-Diesel mit Blumen gefeiert vom Band lief. Vom 200D
und 300D wurden jährlich etwa 50.000 Exemplare gebaut. Vom 220 D hatten während
seiner kurzen Lebensspanne 56.736 Wagen das Werk verlassen. Die übrigen D-Typen
hatten neue Produktionsrekorde eingefahren: Bis zum Ende ihrer Bauzeit waren
378.138 200 D, 454.780 240 D und 331.999 300 D entstanden. Die W123-Diesel
blieben nicht zuletzt wegen des nordamerikanischen Markts, auf dem sie sich –
allerdings mit eingeschränkter Typenvielfalt – ungeheuerer Popularität
erfreuten, wo aber die Typprüfung nach DOT und EPA ein langwieriges Unterfangen
darstellt, noch ein Dreivierteljahr nach Vorstellung der Baureihe W124 mit ihren
neuentwickelten Ölmotoren in Produktion.
Ein Spezialmodell für den US-Markt stellte der zum Modelljahr 1982 erschienene
300D Turbodiesel dar – eine 300 D-Limousine mit dem aufgeladenen
Fünfzylinder-Diesel, der in Europa nur in den T-Limousinen (sprich Kombis)
erhältlich war. Dieses 123-PS-Aggregat mit einem Abgas-Turbolader des
amerikanischen Herstellers Garrett AiResearch verhalf dem Exporttyp zu Fahrleistungen, die in
der Relation zur 55-Meilen-Geschwindigkeitsbegrenzung des Ziellandes um so mehr
als erstaunlich gelten konnten. Ab Modelljahr 1984 verkörperte der
Turbo-Dreiliter die einzige für die Mercedes-Mittelklasse in US-Version
vorgesehene Antriebsquelle. Schließlich war auch der Dieselmotor längst weltweit
salonfähig geworden.